Glauben Sie, dass Betrügen das Los von Egoisten und moralischen Monstern ist?
Was ist mit Ihrem Kollegen, der Obdachlosen hilft, oder Ihrem Freund, der ein Kind aus einem Tierheim adoptiert hat?
Sind sie auch zum Verrat fähig? Psychologen schlagen Alarm: 37 Prozent der Menschen, die im letzten Jahrzehnt nach Untreue einen Therapeuten aufgesucht haben, bezeichneten sich selbst als „freundlich, anständig und liebevoll“.

Warum also brechen diejenigen, die wirklich an Familienwerte glauben, ihre eigenen Prinzipien? Die Antwort liegt nicht in der Zügellosigkeit, sondern in tiefen psychologischen Fallen, die selbst die stärksten Geister zum Verstummen bringen können.
Meistens ist es nicht Leidenschaft, die den Anstoß gibt, sondern emotionaler Hunger. Wenn sich ein Mensch über Jahre hinweg in einer Beziehung nicht gehört, nicht wertgeschätzt oder einsam fühlt, sucht seine Psyche nach „Schlupflöchern“, um dies zu kompensieren.
Beispielsweise kann es sein, dass sich ein Mann, der ständig von seiner Frau kritisiert wird, nicht aufgrund sexueller Anziehung in eine Kollegin verliebt, sondern weil sie seine Ideen lobt und über seine Witze lacht. Dies rechtfertigt zwar nicht die Tat, erklärt aber, warum „gute“ Menschen Risiken eingehen: Sie rennen nicht zu jemandem davon, sondern vor Schmerz.
Ein weiteres Paradox: Viele Betrüger lieben ihre Partner wirklich. Die Psychologin Esther Perel nennt dies eine „Spaltung des Selbst“ – die Fähigkeit, die Liebe zur Familie und das Bedürfnis nach Selbstbestätigung durch eine romantische Affäre nebenbei zu trennen. Beispielsweise könnte eine Frau, die sich selbst als vorbildliche Mutter und Ehefrau sieht, eine Affäre beginnen, um sich „nicht nur als Mutter“ begehrt zu fühlen.
Dabei handelt es sich nicht um ein bewusstes Kalkül, sondern um den Versuch, verloren gegangene Persönlichkeitsanteile wiederherzustellen. Natürlich ist dieser Weg destruktiv, aber er erklärt, warum selbst „perfekte“ Partner der Versuchung erliegen.
Die wirklich unbequeme Wahrheit ist jedoch, dass Betrügen oft ein Akt der Verzweiflung ist. Wenn der Dialog nicht funktioniert, sucht die Psyche nach radikalen Wegen, um die Beziehung „aufzuwecken“. Ein klassisches Beispiel: Ein Ehemann, der seiner Frau, nachdem sie ihn betrogen hat, plötzlich Blumen schenkt und Zeit mit ihr verbringt. Das ist keine Manipulation, sondern ein Hilferuf – allerdings in hässlicher Form.
Was macht aus einem „guten“ Menschen jemanden, der verletzt ist? Der entscheidende Faktor ist nicht ein Mangel an Moral, sondern die Unfähigkeit, mit Konflikten umzugehen.
Beispielsweise unterdrücken Menschen mit einem übertriebenen Pflichtbewusstsein ihre Bedürfnisse oft jahrelang, um die Familie zu „retten“, bis die Geduldsgrenze erreicht ist. Oder diejenigen, die in Familien aufwuchsen, in denen es als beschämend galt, offen über Beschwerden zu sprechen, lernen, „Probleme zu lösen“, indem sie sich in geheime Beziehungen flüchten.
Psychologen betonen, dass Fremdgehen selten spontan geschieht. Dies ist immer das Ergebnis einer langen Ansammlung ungelöster Probleme.
Wie können Sie Ihre Beziehung vor dieser Bedrohung schützen? Der erste Schritt besteht darin, die Welt nicht länger in „schlecht“ und „gut“ einzuteilen. Fragen Sie sich stattdessen: Welche unerfüllten Bedürfnisse haben ich und mein Partner? Vielleicht ist seine Kälte kein Zeichen von Gleichgültigkeit, sondern eine Folge eines Burnouts am Arbeitsplatz.
Oder Ihre Gereiztheit ist eine Tarnung für Ihre Angst, verlassen zu werden. Untersuchungen bestätigen, dass Paare, die mindestens einmal im Monat über „Gefühle“ statt über „Verhalten“ sprechen, das Risiko des Fremdgehens um 53 % senken. Nicht weil sie perfekt werden, sondern weil sie lernen, einander zuzuhören, bevor der „Point of no Return“ eintritt.
Was aber, wenn der Verrat bereits stattgefunden hat? Psychologen raten, Bezeichnungen wie „Opfer“ und „Tyrann“ zu vermeiden. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Frage: Gibt es in dieser Beziehung etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt?
Manchmal wird Verrat zum Katalysator für eine Veränderung, von der beide geträumt haben, sich aber nicht getraut haben, sie in die Tat umzusetzen. Beispielsweise kann ein Paar in einer Krise feststellen, dass es jahrelang nach vorgegebenen Vorgaben gelebt und seine wahren Wünsche ignoriert hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass Sie alles verzeihen müssen, aber es gibt Ihnen die Chance, die Beziehung auf einer neuen Basis wieder aufzubauen – oder sie ohne Hass hinter sich zu lassen.